Es ist kein Geheimnis: Im Rahmen der Unfallschadenregulierung nehmen Versicherer nur zu gerne Kürzungen vor. Besonders häufig von der Kürzungspraktik betroffen ist die fiktive Abrechnung oder Abrechnung auf Gutachtenbasis. Hierbei verweist der Versicherer fast immer auf eine günstigere Referenzwerkstatt. Doch ist dies überhaupt zulässig?

Foto von Sergey Meshkov

Nach einem Verkehrsunfall ist dem Geschädigten der entstandene Schaden durch den Versicherer der Gegenseite zu erstatten. Um die Schadenhöhe zu ermitteln, wird in der Regel ein Sachverständigengutachten erstellt. Nun steht es dem Geschädigten frei, ob er sein Fahrzeug tatsächlich fachgerecht instand setzen oder sich stattdessen die im Gutachten prognostizierten Reparaturkosten ohne Umsatzsteuer auszahlen lässt (fiktive Abrechnung).

Bei der fiktiven Abrechnung nehmen Versicherer oft Kürzungen vor und verweisen zu diesem Zweck auf Referenzwerkstätte, die geringere Stundensätze und keine UPE-Zuschläge sowie Verbringungskosten berechnen. Ein solcher Verweis ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam (vgl. Porsche-Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02, VW-Urteil vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09, BMW-Urteil vom 23. Februar 2010 – VI ZR 91/09, Mercedes-Urteil vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09).

Unzulässig ist der Verweis auf eine freie Werkstatt laut BGH, wenn:

  • das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt noch unter dem Schutz der Garantie steht, also jünger als drei Jahre ist.
  • das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt älter als drei Jahre, dafür aber tadellos scheckheftgepflegt ist.

Auto älter als drei Jahre und nicht scheckheftgepflegt

Wenn das Fahrzeug älter als drei Jahre und nicht regelmäßig in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet sowie gegebenenfalls repariert worden ist, müssen für einen wirksamen Verweis auf eine Referenzwerkstatt folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Reparatur in der markenfremden oder -freien Werkstatt muss nachweislich qualitativ gleichwertig sein mit der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt (BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 – VI 259/09).
  • Die Werkstatt muss für den Geschädigten ohne Weiteres zugänglich sein, d. h. in einer zumutbaren Entfernung liegen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09).
  • Die Reparatur darf nicht nur aufgrund von Sonderkonditionen, welche ausschließlich für den Versicherer gelten, günstiger sein. Die günstigen Preise müssen für alle Kunden zugänglich sein (BGH, Urteil vom 28. April 2015 – VI ZR 267/14).

Ist Ihr Fahrzeug älter als drei Jahre, müssen Sie damit rechnen, dass der Versicherer Sie auf eine Referenzwerkstatt verweist. Doch wie oben dargestellt, ist ein solcher Verweis nicht immer zulässig. Er ist nur wirksam, wenn die Reparatur einen gewissen Qualitätsstandard erfüllt und nicht aufgrund von Sonderkonditionen für den Versicherer  günstiger ist. Außerdem muss die Werkstatt sich in zumutbarer Nähe zu Ihrem Wohnort befinden (keine starre Kilometer-Grenze, Einzelfallentscheidung).

Nehmen Sie einen Verweis nie ohne Weiteres hin, sondern lassen Sie ihn immer von einem Anwalt für Verkehrsrecht unserer Kanzlei auf Wirksamkeit prüfen. Wir verhelfen Ihnen zu Ihrem Recht.