Streit gibt es auf Baustellen oft: Konflikte zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind meist in Störungen und Behinderungen im Bauablauf begründet. Ein juristisches Mittel, um Streitigkeiten am Bau vorläufig zu klären und seine Interessen durchzusetzen, ist die einstweilige Verfügung.

Wie das Oberlandesgericht Stuttgart urteilte, kann der Auftraggeber nach fristloser Kündigung seinen Anspruch auf Überlassung der auf der Baustelle befindlichen Baumaterialien (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B) mit einer einstweiligen Verfügung durchsetzen, sofern der Auftragnehmer nicht zuvor einstweiligen Rechtsschutz erwirkt hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2011, Az. 10 U 141/11).

Was war passiert?

Im vorliegenden Fall standen sich der sachenrechtliche Besitzschutzanspruch eines Bauunternehmers auf Herausgabe von auf die Baustelle verbrachten Baumaterials nach § 861 BGB und der schuldrechtliche Anspruch des Auftraggebers auf Übernahme und Nutzung eben dieses Materials aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B gegenüber.

Beide Parteien hatten einen Werkvertrag über Parkettarbeiten geschlossen, in den die VOB/B einbezogen wurde. Dieser Vertrag sah gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B vor, dass der Auftraggeber nach außerordentlicher Kündigung des Vertrages für die Fortführung der Arbeiten die auf der Baustelle angelieferten Baumaterialien gegen angemessene Vergütung übernehmen kann.

Als der Auftraggeber den Vertrag tatsächlich fristlos kündigte unter Berufung auf § 8 Abs. 3 Nr. 1, 5 Abs. 4 VOB/B wegen Leistungsverzugs unter Bezugnahme auf mehrfache Abhilfeverlangen und Nachfristsetzungen, widersprach der Bauunternehmer jedoch der Kündigung. Er bot an, die Arbeiten fortzusetzen, kündigte aber sogleich an, das noch nicht eingebaute Material, welches sich noch auf der Baustelle befand, abzuholen, sofern ihm nicht eine seinen Vorstellungen nach angemessene Vergütung zugesagt werde.

Die Entscheidung des Gerichts

Darauf reagierte der Auftraggeber, indem er eine gerichtliche einstweilige Verfügung erwirkte, die dem Auftragnehmer die Abholung der Materialien untersagte.

Dagegen legte der Bauunternehmer beim OLG Stuttgart Berufung ein mit der Begründung, solange keine Vereinbarung über die Vergütung getroffen worden sei, bestehe kein Verwendungsrecht des Auftraggebers. Vielmehr stelle die Nutzung der Baumaterialien gegen seinen Willen eine verbotene Eigenmacht, sprich Selbstjustiz, dar.

Die Berufung wurde abgelehnt. Zur Begründung des Urteils führte das OLG Stuttgart an, dass der Auftraggeber ein Recht zur Übernahme und Nutzung der Baumateriealien zur Fortführung der Arbeiten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B bereits dann habe, wenn noch keine Einigung über die Höhe der angemessenen Vergütung zustande gekommen ist. Ein solcher Überlassungsanspruch könne jedoch vereitelt werden, wenn der Auftragnehmer selbst eine einstweilige Verfügung aufgrund der Entziehung seines Besitzes an den Baumaterialien gemäß § 861 BGB erwirkt.

Denn nach § 863 BGB können petitorische Einwendungen, wie der Überlassungsanspruch des Auftraggebers, den possessorischen Besitzschutzanspruch grundsätzlich nicht zu Fall bringen.

Im vorliegenden Fall wurde die einstweilige Verfügung des Bauunternehmers auf Herausgabe des Materials jedoch zurückgewiesen. Grund hierfür war, dass nach Auffassung des OLG Stuttgart der Auftragnehmer sein possessorisches Besitzschutzanspruch nur vorschob, um vertragswidrig überhöhte Übernahme-Preise für das Baumaterial zu fordern.

Fazit

Wie der vorliegende Fall zeigt, ist einstweiliger Rechtsschutz auch in baurechtlichen Streitigkeiten äußerst relevant. Finden Sie sich in einer solchen oder ähnlichen Situation wieder, sollten Sie daher umgehend mit Hilfe eines Anwalt für Baurecht den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, um Ihre Interessen zu verteidigen. Ganz gleich, ob Sie Auftraggeber oder Auftragnehmer sind, die Vertragspartei setzt sich durch, die ihren Anspruch aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B beziehungsweise § 861 BGB durch Beantragung einer einstweiligen Verfügung geltend macht.

Vereinbaren Sie noch heute ein Beratungsgespräch und schildern Sie mir Ihr Anliegen. Gerne prüfe ich für Sie, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erfüllt sind, und verhelfe Ihnen anschließend zu Ihrem guten Recht – gerichtlich und außergerichtlich.