Schon in unserem letzten Beitrag sind wir auf das Thema nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch eingegangen. Damals mit dem Ergebnis, dass der Grundstückseigentümer, in diesem Fall ein Recyclinghofbetreiber, nicht haften musste

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Aktuell ist unsere Kanzlei selbst mit einem Fall befasst, bei dem die hinter der Bauherrin stehende Haftpflichtversicherung eine Regulierung ablehnt mit der Begründung, dass primär die Baufirma beziehungsweise deren Versicherung haften würde – zu Recht?

Was war geschehen?

Am 15. Oktober 2021 kam es auf einer Baustelle in der Köhlstraße in Wiesbaden-Erbenheim zu einem Unfall mit Feuerwehreinsatz. Ein Baukran war umgekippt und auf ein benachbartes Wohnhaus gestürzt. Der Vorfall ereignete sich am Vormittag, als eine vorgegossene Betontreppe per Fernsteuerung auf einen Neubau gehoben werden sollte. Dabei wurde der Kran instabil, woraufhin die etwa 25 Meter hohe Hebemaschine umkippte.

Der Ausleger stürzte mittig auf den Dachfirst des Mehrfamilienhauses auf dem Nachbargrundstück, stieß den Schornstein um und brach durch das Dach in den Spitzboden über dem Obergeschoss des Gebäudes. Auch eine Stromleitung wurde durch das Umstürzen des Krans in Mitleidenschaft gezogen, deren beide Enden auf den Dächern zweier weiterer Häuser zu liegen kamen und dort zu kokeln begannen.

Es entstanden schwere Sachschäden, verletzt wurde jedoch niemand. Die Feuerwehr evakuierte die Wohngebäude auf beiden Seiten der Köhlstraße. Etwa 50 Anwohner waren von dem Vorfall betroffen und durften erst abends wieder zurück in ihre Wohnungen, nachdem der Baukran gesichert und mit den ersten Räumungsarbeiten begonnen werden konnte.

Wer haftet für die entstandenen Schäden?

Ein Gutachten ergab, dass der Baukran durch die Kranfirma ordnungsgemäß aufgestellt worden war, jedoch aufgrund nicht eingehaltener Sicherheitsvorschriften infolge der Beschädigung der Lastmomentbegrenzung umgefallen ist. Das Gutachten hatte die Bauherrin, in diesem Fall eine Immobiliengesellschaft, durchführen lassen.

Aufgrund dieses Gutachtens sieht die Bauherren-Haftpflicht der Immobiliengesellschaft die Schuld ausschließlich bei der Kranfirma und verweigert die Schadenregulierung.

Wir sind jedoch der Auffassung, dass nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ein Anspruch gegen die Bauherrin (Immobiliengesellschaft) ganz klar gegeben ist. Unsere Ansicht wird gestützt durch frühere Urteile in vergleichbaren Fällen wie die Entscheidung vom Bundesgerichtshof (BGH) vom 9. Februar 2018 (Az.: V ZR 311/16).

Im BGH-Fall war ein Handwerker mit Dachreparaturarbeiten beauftragt worden. Dabei waren Glutnester entstanden, die der Handwerker fahrlässig übersah. Von dem daraus resultierenden Brand war auch das Nachbargebäude betroffen. Nachdem der Handwerker Insolvenz angemeldet hatte und die Schadenssumme nicht mehr aufbringen konnte, verfolgte die Versicherung des Nachbarn, die den Schaden inzwischen bezahlt hatte, ihre Ansprüche gegen den Eigentümer (Bauherrn) weiter.

Obwohl die Klage in Vorinstanz (OLG Naumburg, Urteil vom 14.01.2016 – 4 U 52/15) zunächst abgewiesen wurde, hob der BGH das Urteil auf. Schon in der Vergangenheit hatte der BGH eine verschuldensunabhängige Ausgleichspflicht von Eigentümern gegenüber Nachbarn bei Einwirkungen durch Grundstücks- oder Gebäudearbeiten mehrfach bejaht. Für den BGH steht bei seiner Entscheidung im Vordergrund, dass der geschädigte Nachbar derartige Einwirkungen nicht unterbinden kann und ihm grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch zusteht, wenn ihm dadurch ein Nachteil entstanden ist.

Wir sind daher auch im Fall des verunglückten Krans siegessicher und werden in Kürze Klage gegen die Bauherrin und die Baufirma einreichen. In unserem Blog werden wir Sie natürlich über alle Fortschritte im Prozess auf dem Laufenden halten. Reinschauen lohnt sich!

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