Einmal mehr ist der funktionale Mangelbegriff beziehungsweise die Frage der Garantiehaftung Ausgangspunkt eines Rechtsstreits vor Gericht. Diesmal hat das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein einen Fall verhandelt, in dem es um zwei undichte Biogasanlagenbehälter und die Erstattung der Kosten für die Mängelbeseitigung ging.

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Bereits in einem früheren Beitrag haben wir uns intensiv mit dem Thema funktionaler Mangelbegriff auseinandergesetzt. Ein funktionaler Mangel liegt genau dann vor, wenn ein Werk den vertraglich vereinbarten und vorausgesetzten Zweck nicht erreicht.

Was war im vorliegenden Fall passiert?

Im Jahr 2010 entschied sich der Betreiber einer Biogasanlage für die Errichtung zwei neuer Biogasbehälter aus Beton. Zu diesem Zweck gab er zunächst eine Genehmigungsplanung für die Betonbehälter nebst Innenbeschichtung in Auftrag, die später als Basis für die Einholung diverser Angebote herangezogen wurde. Die Angebotsanfragen enthielten keine konkreten Vorgabe für die Beschichtung. Lediglich der Herstellungszweck der Behälter wurde grob skizziert.

Im Mai 2011 erhielt schließlich das beklagte Unternehmen den Zuschlag für die Errichtung der beiden Behälter einschließlich aller Nebenarbeiten zum Pauschalpreis von 483.000 Euro. Ursprünglicher Bestandteil des Angebotes der Beklagten war der Betonanstrich einer Firma, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits nicht mehr existierte. Deren Produktpalette und Vertrieb wurde jedoch von einer anderen Firma übernommen, die für die Innenbeschichtung der Behälter ein Produkt lieferte, das laut eigenen Angeben für den vorgesehenen Zweck geeignet sei.

Daraufhin beauftragte der Auftragnehmer einen Subunternehmer mit der Durchführung der Beschichtungsarbeiten und des Korrosionsschutzes. Nach Abschluss sämtlicher Arbeiten erfolgte schließlich im Dezember 2011 die Abnahme durch den Auftraggeber. Damit begann gleichzeitig die vereinbarte fünfjährige Gewährleistungszeit. Ende 2015 bemerkte der Anlagenbetreiber allerdings, dass einer der Behälter Betonschwundrisse aufwies und undicht war, was er unverzüglich rügte sowie vor das Landgericht (LG) Kiel brachte. Dort machte er erstinstanzlich einen Vorschuss zur Mängelbeseitigung gegen die Beklagte geltend (Urteil vom 5. Juli 2019, 11 O 115/18). Das LG gab dem Auftraggeber Recht, dass die Betonbehälter wegen Verwendung einer ungeeigneten Beschichtung mangelhaft gewesen seien

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts 

Gegen das Urteil aus erster Instanz legte der Auftragnehmer Berufung vor dem OLG ein mit der Begründung, dass er den Mangel nicht zu vertreten habe. Schließlich habe er nur den Vorgaben der Firma Folge geleistet, die für den Auftraggeber die Genehmigungsplanung durchgeführt habe. Die verwendete Beschichtungen sei mit der Angebotsanfrage angegebenen Produkt identisch.

Diese Auffassung teilte das Gericht nicht und wies die Berufung zurück. Der Auftraggeber, der in der Zwischenzeit die Mängel beseitigen ließ, habe einen Anspruch auf die Erstattung des Gesamtnettoschadens in Höhe von 142.659,41 Euro aus § 13 Abs. 5 Nr. 2. Die Behälter seien i.S.v. § 13 Abs. 1 VOB/B mangelbehaftet, weil sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit und beabsichtigte Funktion aufweisen. Der Beschichtungsmangel sei darüber hinaus kausal für den eingetretenen Schaden gewesen, der zur Undichtigkeit der Behälter führte.

Ein dem Auftraggeber zurechenbares, kausales Planungsverschulden wegen der lückenhaften Angebotsanfrage läge nicht vor. Bei den darin gemachten Angaben handele es sich um funktionale Baubeschreibung ohne konkrete Materialvorgabe. Im Übrigen hätte der Auftragnehmer als Fachunternehmer nach § 4 III VOB/B seine Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der Angaben anmelden oder seine Gewährleistung beschränken müssen.

Fazit

Vorsicht bei funktionsuntauglichen Werksvereinbarungen. Kann das Werk den vereinbarten oder vorausgesetzten Herstellungszweck nicht erreichen, liegt ein funktionaler Mangel vor – ungeachtet dessen, ob der Mangel womöglich auf die ungenügende Vorleistung oder lückenhafte Angebotsanfrage eines Dritten zurückzuführen ist. Der Haftung für den Mangel kann ein Auftragnehmer höchstens entgehen, indem er rechtzeitig seine Bedenken bezüglich der Funktionsunfähigkeit gegenüber dem Auftraggeber äußert oder seine Gewährleistung beschränkt.

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